Dezimiert und von ihrem Land vertrieben, könnten die Indianer Nordamerikas heute längst vergessen sein – bestenfalls eine Fußnote der Geschichte und Kuriosität für Touristen. Doch ihr hartnäckiger Widerstand gegen den Untergang machte sie legendär. Und sie führen den Kampf um ihre Identität und ihre Rechte bis heute weiter.
„Als unsere Großväter sie zuerst trafen, waren sie wenige und schwach. Jetzt aber sind sie viele, und sie sind anmaßend.“ So beschrieb der Dakota-Führer Sitting Bull seinen Kriegern die weißen Siedler, die immer energischer nach Westen vordrangen. „Sollen wir nachgeben, meine Brüder? Oder sollen wir ihnen sagen: Bevor du mein Land nimmst, musst du mich töten!“
Es gab viele Indianer, die empfanden wie Sitting Bull. Vom Aufstand Enriquillos auf der Karibik-Insel Hispanola im Jahr 1522 bis zum Guerilla-Kämpfer Geronimo, der sich 1886 der US-Armee ergab, führten die Ureinwohner ein verbissenes Rückzugsgefecht gegen die weißen Eroberer.
Die ersten Siedler
Zu Beginn waren die europäischen Kolonien verwundbar: Die 105 Engländer, die 1607 die Stadt Jamestown im heutigen Virginia gründeten, sahen sich einem mächtigen Stammesbund gegenüber, der das gesamte Umland beherrschte. Häuptling Wahunsonacock – von den Engländern Powhatan genannt – regierte ein Reich mit rund 13.000 Menschen aus 31 Stämmen. Anfangs hatte der politisch versierte Herrscher wohl die Hoffnung, die neue Siedlung in sein Bündnissystem eingliedern zu können, und unterstützte die Engländer.
Erst als weitere Schiffe mit 250 neuen Siedlern eintrafen und Übergriffe der Europäer zunahmen, gingen die Indianer zum Angriff über. Sie belagerten Jamestown und brachten die Kolonie an den Rand des Untergangs. Im Mai 1610 waren nur noch 60 Engländer am Leben. Doch kurz darauf trafen neue Schiffe ein, die unter anderem professionelle Soldaten zum Schutz der Stadt mitbrachten. Diese drängten die Indianer zurück und erreichten einen fragilen Waffenstillstand.
Die Engländer hatten ihren Brückenkopf mühsam halten können, und für die Indianer Neuenglands war die vielleicht einzige Chance auf den Sieg vorüber. Bis zum Jahr 1622 waren bereits über 1.200 Siedler angekommen und hatten in der Umgebung Jamestowns Tabakfarmen angelegt. Der Powhatan-Bund versuchte eine letzte großangelegte Offensive: Am 22. März 1622 griffen Indianer die englischen Siedlungen an, zerstörten über 70 Farmen und töteten 347 Kolonisten – mehr als ein Viertel der weißen Bevölkerung. Doch wieder unterließen sie es, Jamestown selbst einzunehmen, und wurden von den englischen Soldaten nach und nach zurückgedrängt.
Die Virginia-Kolonie erholte sich durch Nachschub aus der Heimat schnell und wuchs in den folgenden Jahren rasant. 1662 lebten schon 40.000 Europäer in Neuengland, fast doppelt so viel wie Indianer. Vertreiben konnte sie nun niemand mehr.
Freiheitskampf am Abgrund
Den Kampf, den die Indianervölker schon aus der Position der Stärke heraus nicht gewinnen konnten, mussten sie von nun an als militärisch und bald auch zahlenmäßig Unterlegene führen. Dabei stand ihnen vor allem die eigene Zersplitterung im Weg. Sie machte es den Eroberern leicht, die einzelnen Stämme gegeneinander auszuspielen. Gefährlich wurde es für die Kolonien nur noch, wenn charismatische Indianerführer es schafften, ein Bündnis mehrerer Völker zu schmieden.
Dies geschah erstmals 1763, als der Ottawa-Führer Pontiac eine Allianz der Indianerstämme an den Großen Seen und im Tal des Ohio zu Stande brachte. Delawaren, Shawnee, Huronen und viele andere folgten seinem Aufruf zum Aufstand gegen die britische Kolonialherrschaft, die immer rücksichtsloser gegen die Indianer vorging. Binnen zwei Monaten eroberten die Indianer alle britischen Militärstützpunkte im Gebiet der Großen Seen mit Ausnahme der großen Forts Detroit und Pitt, die der Belagerung standhielten.
Pontiacs Plan war es, die Militärpräsenz der Engländer zu vernichten, um dann in der zweiten Phase die schutzlosen Siedler zu vertreiben. Nach den Anfangserfolgen zerfiel ihm jedoch seine Allianz unter den Händen, da ein Stamm nach dem anderen Frieden mit den Briten schloss. Zu längerfristigem gemeinsamen Vorgehen waren die unabhängigen Völker nicht zu überzeugen. Nach zwei Jahren war Pontiacs Gefolge so weit zusammengeschmolzen, dass er den Kampf abbrechen musste.
Immerhin hatte Pontiacs Aufstand den Briten einen Schrecken eingejagt. Der englische König erklärte alles Land westlich der Appalachen zu Indianerland, das für europäische Siedler tabu sei. Doch die englische Herrschaft neigte sich bereits ihrem Ende entgegen. Die jungen Vereinigten Staaten drängten bald um so energischer nach Westen und begannen die Indianer in immer kleiner werdende Gebiete zurückzudrängen.
Bald war der indianische Widerstand auf reine Verzweiflungstaten zusammengeschrumpft. In die Enge getriebene Völker wehrten sich gegen die Entwaffnung, Vertreibung und Entmündigung. Dies gilt auch für den berühmten Krieg der Prärievölker, in dessen Verlauf verbündete Sioux und Cheyenne unter der Führung von Sitting Bull und Crazy Horse der US-Armee im Jahr 1876 am Little Bighorn ihre größte Niederlage gegen Indianer beibrachten. Nicht einmal ein Jahr nach der Schlacht konnte sich Sitting Bull mit den Resten seiner Anhänger mit knapper Not ins kanadische Exil retten.
Der Kampf um Anerkennung
Die US-Politik zielte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts darauf ab, die indianische Kultur und Identität durch Assimilation zu vernichten. Die Autonomie der Stämme in den Reservationen wurde eingeschränkt und das Leben in den Reservaten weiter erschwert, um die Indianer in die Städte zu treiben. Indianerkinder wurden fern von zu Hause in Internatsschulen erzogen, deren Ziel einer der Schulleiter so zusammenfasste: „Töte den Indianer in ihm und rette den Menschen.“
Seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wuchs der Widerstand gegen die paternalistische Politik der US-Regierung, und einige der Maßnahmen wurden zurückgenommen. Ein neues kulturelles Selbstbewusstsein der Reservations-Indianer entwickelte sich, das schnell zu neuen Konflikten führte. Junge indianische Aktivisten versuchten sich an Strategien, wie sie sie von revolutionären Bewegungen weltweit und bei den schwarzen Bürgerrechtlern im eigenen Land beobachten konnten. Globale Aufmerksamkeit etwa erreichten Protestaktionen wie die Besetzung der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz in der Bucht von San Francisco von 1969 bis 1971, der Mount Rushmore Monuments 1971 oder der Ortschaft Wounded Knee 1973.
Befördert vom wieder erwachenden indianischen Selbstbewusstsein und im Schlepptau der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung in den 60er Jahren kämpften die Indianervölker um ihr Recht auf Selbstbestimmung. Seit 1970 gestand die US-Regierung Schritt für Schritt den Reservationen weitreichende Autonomie-Rechte zu und der kulturelle Assimilationsdruck wurde aufgegeben.
Viele Indianervölker verfügen heute über eine weitgehende Selbstverwaltung. Der aus Sicht der Indianer wichtigste Kampf um die Anerkennung ihrer Kultur und ihrer Rechte als eigenständige Nationen konnte viele Erfolge feiern. Die katastrophale Armut der meisten Indianer in den Reservationen steht auf einem anderen Blatt.
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