1933: Das Jahr der Machtergreifung – Ein Überblick

Vor 80 Jahren kamen die Nationalsozialisten in Deutschland legal an die Regierung. In atemberaubenden Tempo gestalteten sie die Weimarer Republik zur Parteiendiktatur um. Schon Ende 1933 war vom demokratischen System kaum etwas übrig.

Am 23. März 1933 verabschiedete der Reichstag das Ermächtigungsgesetz, das die Gesetzgebungsgewalt vom Parlament auf die Regierung übertrug.

Am 23. März 1933 verabschiedete der Reichstag das Ermächtigungsgesetz, das die Gesetzgebungsgewalt vom Parlament auf die Regierung übertrug.

(Bildnachweis: Bundesarchiv, Bild 102-14439/CC-BY-SA, via Wikimedia Commons)

Sie hatten die „nationale Revolution“ ausgerufen, lange bevor sie eine ernstzunehmende politische Kraft geworden waren: Hitler und die NSDAP hatten niemals verheimlicht, dass sie nichts weniger als eine vollständige Umgestaltung des Landes im Sinne hatten.

Viele Mitglieder der alten Eliten unterschätzten Anfang 1933 den Verve und die Skrupellosigkeit, mit dem die Nationalsozialisten sich an diese Umgestaltung machen würden.

Als Reichspräsident Hindenburg am 30. Januar Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, vertraute man darauf, dass dieser sich in den Schwernissen der Realpolitik verlieren würde. Doch genau damit belastete sich die NS-Führung nicht: Statt dessen rückte sie der Republik strukturell zu Leibe und zerstörte binnen weniger Monate alle ihre Grundlagen.

Eine Chronologie der Machtergreifung 1933:

30. Januar Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler. – Hitler bildet eine Koalitionsregierung mit rechtskonservativen Parteien. Vizekanzler Franz von Papen: „In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht.“ – Joseph Goebbels triumphiert im Radio: „Deutschland ist im Erwachen!“, und organisiert einen triumphalen Fackelzug der SA durch Berlin, um den Sieg zu feiern.
1. Februar Hindenburg löst auf Druck Hitlers den Reichstag auf und setzt Neuwahlen für den 5. März an.
3. Februar Der „Vorwärts“, die Parteizeitung der SPD, wird verboten, weil er den „inneren Frieden“ stört.
4. Februar Hindenburg unterzeichnet die „Verordnung zum Schutz des deutschen Volkes“. Die Regierung darf nun Presse- und Versammlungsfreiheit einschränken und Verdächtige ohne Beweise und Anklage bis zu drei Monate einsperren.
Februar Wahlkampf. Besonders die KPD wird massiv behindert, Veranstaltungen werden verboten. Auch die SPD wird beschränkt. – Hermann Göring erhebt als kommissarischer preußischer Innenminister 40.000 SA-Männer zu Hilfspolizisten.
27. Februar Reichtagsbrand. Hitler: „Diese Brandstiftung ist der bisher ungeheuerlichste Akt des Bolschewismus in Deutschland.“ Noch in der Nacht verhaften Polizei und SA Hunderte von Oppositionellen, darunter die Journalisten Egon Erwin Kisch und Carl von Ossietzky. Bertold Brecht kann sich eilig nach Prag absetzen.
28. Februar Hindenburg unterzeichnet die eilig während der Nacht verfasste „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“. Nun kann jeder Bürger ohne konkreten Vorwurf unbegrenzt in „Schutzhaft“ genommen werden. Sämtliche anderen Bürgerrechte werden faktisch außer Kraft gesetzt, und für Hochverrat wird die Todesstrafe eingeführt. Diese sogenannte „Reichstagsbrandverordnung“ macht Deutschland zum totalitären Staat. Die Reichsregierung darf in die Regierung der Länder eingreifen und sichert sich in den folgenden Tagen die Kontrolle über die Polizei aller 17 Länder.
3. März Ernst Thälmann, Vorsitzender der KPD, wird verhaftet.
5. März Reichstagswahl. Die NSDAP erhält 43,9 Prozent, die SPD 18,3, die KPD 12,3, das konservative „Zentrum“ 11,2. Die KPD-Kandidaten sind zu diesem Zeitpunkt bereits in Haft oder untergetaucht.
13. März Hitler ernennt Joseph Goebbels zum Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda.
21. März Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, gibt in einer Pressekonferenz die Einrichtung des ersten Konzentrationslagers in der Nähe von Dachau bekannt. Inhaftiert werden zunächst vor allem politische Gegner. Dachau wird zum Muster für viele weitere Lager in den nächsten Jahren.
23. März Der Reichstag verabschiedet das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ (das „Ermächtigungsgesetz“). Nur die SPD-Abgeordneten stimmen dagegen. Mit diesem Gesetz gibt das Parlament seine Macht an die Regierung ab: Diese darf nun eigenständig Gesetze erlassen.
31. März Das „Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ löst die Landtage auf und bildet sie auf Basis des Ergebnisses der Reichstagswahl neu. So ist – ohne Wahlen – in den 17 Ländern die parlamentarische Mehrheit der NSDAP hergestellt. Zudem wird die Gesetzgebungsbefugnis von den Landtagen auf die Landesregierungen übertragen.
1. April Die NSDAP organisiert einen Boykott jüdischer Geschäfte, Arztpraxen und Anwaltskanzleien. „Wer gegen diese Aufforderung handelt, beweist damit, dass er auf der Seite der Feinde Deutschlands steht“, heißt es in dem offiziellen Boykott-Aufruf. Reichsweit bilden sich Aktionskomitees, um den Boykott vor Ort zu organisieren und seine Einhaltung zu überwachen.
Für den 1. April 1933 organisierten die Nationalsozialisten einen deutschlandweiten Boykott jüdischer Geschäfte.

Für den 1. April 1933 organisierten die Nationalsozialisten einen deutschlandweiten Boykott jüdischer Geschäfte.

(Bildnachweis: Georg Pahl, Bundesarchiv, Bild 102-14468/CC-BY-SA, via Wikimedia Commons)

7. April Das „Zweite Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ setzt in allen Ländern Reichsstatthalter ein, die sicherstellen, dass die Landesregierungen sich an die Vorgaben der Reichsregierung halten. Das größte Land Preußen geht faktisch im Reich auf.
7. April Das „Gesetz zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums“ bringt den Beamtenapparat auf Linie: Menschen jüdischer Abstammung sowie Beamte, bei denen man den Verdacht hat, sie würden nicht „jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten“, sind aus dem Staatsdienst zu entfernen.
2. Mai In einer reichsweiten Aktion besetzt die SA die Gewerkschaftshäuser. Alle Gewerkschaften werden gleichgeschaltet und der am 10. Mai neu gegründeten Deutschen Arbeitsfront (DAF) eingegliedert, die direkt der NSDAP untersteht. Die Tarifautonomie wird aufgehoben.
10. Mai Als Höhepunkt der von der Deutschen Studentenschaft ausgerufenen „Aktion wider den undeutschen Geist“ werden im ganzen Reich bei öffentlichen Kundgebungen Bücher von jüdischen, marxistischen und anderen missliebigen Autoren verbrannt.
Am 10. Mai 1933 wurden deutschlandweit in Universitätsstädten zahlreiche "undeutsche" Bücher verbrannt - hier bei der zentralen Veranstaltung auf dem Berliner Opernplatz.

Am 10. Mai 1933 wurden deutschlandweit in Universitätsstädten zahlreiche „undeutsche“ Bücher verbrannt – hier bei der zentralen Veranstaltung auf dem Berliner Opernplatz.

(Bildnachweis: Bundesarchiv, Bild 102-14597/CC-BY-SA, via Wikimedia Commons)

1. Juni Ein großangelegtes Arbeitsbeschaffungsprogramm wird durch das „Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit“ angeschoben, das durch staatliche Investitionen Arbeitsplätze schafft.
22. Juni Die SPD wird verboten. Der Druck auf die anderen deutschen Parteien, sich freiwillig aufzulösen, nimmt zu.
14. Juli Durch das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ wird die NSDAP zur einzigen legalen politischen Partei im Deutschen Reich.
14. Juli Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ macht die nationalsozialistische „Rassenhygiene“ zu geltendem Recht. Es sieht die Zwangssterilisierung von Menschen mit bestimmten erblichen Erkrankungen vor.
15. Juli Adolf Hitler beruft einen Generalrat der Wirtschaft, der die Regierung in ökonomischen Fragen beraten soll. Ihm gehören unter anderem die Industriemagnaten Carl Bosch, Fritz Thyssen, Carl Friedrich von Siemens und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach an.
20. Juli Im „Reichskonkordat“ arrangiert sich die römisch-katholischen Kirche mit dem NS-Staat.
18. August Auf der Funkausstellung in Berlin wird der im Auftrag des Propagandaministeriums entwickelte „Volksempfänger“ vorgestellt.
13. September Der „Reichsnährstand“ wird als Organisation aller mit der Nahrungsmittelproduktion befassten Betriebe und Personen gebildet. Er kontrolliert von nun an den Markt und die Preise für Lebensmittel.
22. September Die „Reichskulturkammer“ wird als Organisation aller Kulturschaffenden und Wissenschaftler gebildet. Sie dient als Kontrollorgan für Kunst, Literatur und Wissenschaft.
23. September Baubeginn an der neuen Reichsautobahn von Frankfurt am Main nach Heidelberg. Der Autobahnbau dient als Prestigeobjekt und Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.
27. September Mit der Wahl Ludwig Müllers zum Reichsbischof auf der Nationalsynode in Wittenberg gewinnen die „Deutschen Christen“ die Oberhand in der evangelischen Kirche. Die Bewegung steht für eine Synthese aus Christentum und Nationalsozialismus.
4. Oktober Durch das „Schriftleitergesetz“ gewinnt Propagandaminister Joseph Goebbels die Kontrolle über die Presse.
14. Oktober Das Deutsche Reich tritt aus dem Völkerbund aus.
12. November Bei der Reichstagswahl ist die NSDAP als einzige Partei wählbar. Sie gewinnt 92,1 Prozent der Stimmen.

Lesetipps zum Thema

Webtipps:

Literaturtipps:

  • Martin Broszat: Die Machtergreifung. Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstörung der Weimarer Republik, München 1984.

  • Wolfgang Benz: Geschichte des Dritten Reiches, München 2000.

  • Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Nationalsozialismus – Aufstieg und Herrschaft, Informationen zur politischen Bildung 314, Bonn 2012.

  • Deutschland unter dem Hakenkreuz, Teil 1: 1933-1936, GEO Epoche Nr. 57 (2012).