GEO-Epoche:

Der Vietnamkrieg

Rezension von Mirko Gründer

Er war der heißeste Konflikt des Kalten Krieges: der Vietnamkrieg. Der verbissene Kampf um ein eher unbedeutendes Land in Südostasien hat eine ganze Generation geprägt. GEO-Epoche widmet ihm die aktuelle Ausgabe.

Die „Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung“ (AKUF) an der Universität Hamburg zählt 238 Kriege in der Zeit von 1945 bis 2007. Aus all jenen Konflikten, die der Kriegs-Definition der AKUF entsprechen, überragt einer alle anderen: der Vietnamkrieg. Nicht unbedingt wegen seiner Dauer, Vehemenz, seiner Opferzahlen oder Kriegsverbrechen, ja noch nicht einmal wegen seiner globalen machtpolitischen Brisanz. Es ist seine gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung für eine ganze Generation, die ihn zu etwas Besonderem macht. Um es jedoch schon vorweg deutlich zu sagen: Eben dieser Aspekt kommt im neuen Heft von GEO-Epoche kaum vor.

Doch zunächst zu dem, was vorkommt: Die 13 Beiträge versammeln auf 164 Seiten ein hervorragendes Panorama des Konflikts. Wie gewohnt ist das Heft hervorragend bebildert, wie gewohnt unter weitgehender Vermeidung der sonst immer zu sehenden Wiedergänger. Die Beiträge wollen nachvollziehbar machen, wie die USA immer tiefer in den Konflikt hineingerieten und wie sie ihn schließlich trotz enormer technischer Überlegenheit verloren – ein Anspruch, den das Heft hervorragend einlöst.

Von der ausführlich erzählten Vorgeschichte im Kampf der Franzosen um ihre Kolonie Indochina (den Washington zum Ende hin fast vollständig finanzierte) über die eigentliche militärische Intervention der USA bis hin zur allmählichen politischen Niederlage an der „Heimatfront“ bietet das Heft einen hervorragenden Einblick nicht nur in die Geschehnisse, sondern auch in die Motivationen und Illusionen der Entscheidungsträger.

GEO-Epoche Nr. 80:
Der Vietnamkrieg

Gruner+Jahr 2016
164 Seiten
10 € (17,50 € inkl. DVD)

GEO-Epoche Nr. 80: "Der Vietnamkrieg"

(Bildnachweis: © Gruner+Jahr, mit freundlicher Genehmigung)

Besonderes Highlight ist eine 12-seitige Zusammenstellung von Zitaten von Zeitzeugen, die ein lebendiges und authentisches Bild des Krieges vermittelt – besser, als es je ein darstellender Artikel vermögen wird.

Der Krieg an der „Heimatfront“

Auch ein Blick auf die „Heimatfront“ fehlt natürlich nicht, immerhin ist die Niederlage der Amerikaner in diesem Krieg ohne einen Blick auf dessen Rezeption in der amerikanischen Öffentlichkeit nicht zu verstehen. Dieser Aspekt wird angemessen beleuchtet.

Aber: Die Proteste in den USA – aber auch anderswo – haben die politische Kultur einer ganzen Generation beeinflusst. Eine Einordnung dieses Aspektes des Vietnamkrieges liefert GEO-Epoche nicht – eine redaktionelle Entscheidung, die sicher vertretbar, aber sehr bedauerlich ist. Die desillusionierten traumatisierten Vietnamveteranen werden kaum thematisiert, der Nachhall der nach und nach ans Licht kommenden Kriegsverbrechen kaum angesprochen, die kulturhistorisch so bedeutsame Verarbeitung des Vietnamkrieges im Hollywood-Kino bleibt gänzlich außen vor. Kurz: Das „Vietnam-Trauma“ der Vereinigten Staaten fehlt als Thema im Heft. So bleibt zwar nicht seine Darstellung, aber doch seine Einordnung des Vietnamkrieges letztlich unvollständig.

Fazit:

Wer Namen wie Dien Bien Phu oder Khe Sanh nur aus Billy Joel- oder Bruce Springsteen-Songs kennt, kann hier viel lernen: Eine solide, erschöpfende Darstellung des Kampfes um Vietnam. Der Bedeutung des Krieges wird GEO-Epoche jedoch kaum gerecht, da seine Nachwirkungen nicht thematisiert werden.

Inhalt:

  • PROLOG: TOD IM DSCHUNGEL
    Aus Furcht vor dem Kommunismus verstricken sich die USA in einen blutigen Konflikt in Südostasien
  • 1946–1954 DER KRIEG VOR DEM KRIEG
    Frankreich herrscht in Indochina über ein riesiges Kolonialreich. Doch 1946 kommt es zum Kampf
  • 1954–1963 LAND DER VERZWEIFLUNG
    Washington stützt Südvietnams korrupte Herrscher – selbst als die das Land in den Bürgerkrieg treiben
  • 1963–1965 DAS IMPERIUM MACHT MOBIL
    Als das Regime in Saigon taumelt, treten die USA offen in den Krieg ein
  • NORDVIETNAM IM SCHATTEN DER BOMBER
    Der kommunistische Norden interveniert im Süden – und wird von US-Luftattacken heimgesucht
  • KRIEGSALLTAG IN DER GRÜNEN HÖLLE
    Gewalt, Angst und Langeweile: Kämpfer beider Seiten erinnern sich an das Leben unter Feuer
  • 1968 EIN SIEG ALS NIEDERLAGE
    Eine überraschende Offensive der Kommunisten wird zum Anfang vom Ende der Auseinandersetzung
  • 1968 DIE GESPALTENE NATION
    Immer größer werden die Zweifel der Amerikaner am Krieg – und immer gewaltsamer die Proteste
  • MY LAI: ENTFESSELTE GEWALT
    Beide Seiten führen einen äußerst brutalen Kampf. Wiederholt kommt es zu Massakern
  • DORFLEBEN ZWISCHEN DEN FRONTEN
    In Thuy Phuong hoffen viele auf einen Sieg des Vietcong. Doch dann kommen die Amerikaner
  • 1969–1973 LEBEN IN DER BLASE
    Kinos, Supermärkte, Bordelle: US-Basen wirken wie amerikanische Städte inmitten der Verwüstung
  • 1975 DER FALL VON SAIGON
    Als die Südkapitale in die Hände des Nordens fällt, erleidet Washington eine weitere Demütigung
  • KAMBODSCHA DER ROTE WAHN
    Der Aufbau eines kommunistischen Staates führt zu einem der größten Verbrechen aller Zeiten

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