Ein schmaler, unwirtlicher Streifen Land, kleiner als Brandenburg, ist seit Jahrzehnten das Zentrum eines der größten Konflikte unserer Zeit: Die aktuelle GEO-Epoche widmet sich der Geschichte des Staates Israel.
Dieser Konflikt, so stellt der Chefredakteur Michael Schaper schon im Editorial der aktuellen GEO-Epoche fest, kann uns nicht kalt lassen. Und zwar nicht nur, wie er sagt, weil wir Deutschen eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk haben oder weil die Sicherheit des Staates Israel Teil der deutschen Staatsräson ist, wie Kanzlerin Merkel ihrerseits einst formulierte. Sondern auch, weil der Israel-Palästina-Konflikt zu den Streitfragen gehört, in denen Neutralität oder Teilnahmslosigkeit keine Option sind – schon allein deshalb, weil die Beteiligten oder sich Beteiligt-Fühlenden diese Haltungen nicht akzeptieren.
Aus der Vielzahl von eindeutig oder verschleiert Partei ergreifenden Publikationen ragt diese GEO-Epoche wohltuend heraus. Weniger, weil der Chefredakteur uns eingangs versichert, um den „objektiven Standpunkt“ bemüht zu sein – dies behaupten andere Autoren auch. Sondern vielmehr, weil dieser Standpunkt zumindest in der Gesamtschau erstaunlich gut gelingt. Es ist eine große Stärke des Konzepts der GEO-Epoche gerade bei kontroversen Themen, dass eine Vielzahl von Autoren mit einer Vielzahl von Themen und Perspektiven zu Worte kommen. So kann im besten Falle – wie auch im vorliegenden – eine Balance erreicht werden, die ein einzelner Autor nie leisten kann.
Von Alija bis Intifada
Das Heft „Israel – Die Geschichte des jüdischen Staates“ versammelt 16 Beiträge auf 188 Seiten. Es beginnt gewohnt stark mit einer Reihe großformatiger Fotos, die in Schlaglichtern auf das Thema einstimmen und selbst dem beschlagenen Leser neue Einblicke bieten. Denn GEO-Epoche vermeidet an dieser Stelle traditionell die schon hundert Male gesehenen Standardbilder.
GEO-Epoche Nr. 61:
Israel – Die Geschichte des jüdischen Staates
Gruner+Jahr 2013
188 Seiten
9,50 € (16,50 € inkl. DVD)
Die folgenden 16 Beiträge handeln größtenteils die Geschichte Israels in zeitlich und thematisch begrenzten Bausteinen ab, die vom Entstehen der zionistischen Bewegung und den ersten von ihr inspirierten Einwanderungswellen (Alija) bis zur Intifada und den aktuellsten Stadien des Friedensprozesses reichen. Lediglich drei Beiträge weichen etwas von diesem Muster ab und behandeln in der Tiefe jeweils ein Einzelphänomen: die Kibbuz, den Mossad und die Siedlerbewegung. Wie schon in der Bebilderung gelingt es auch in den Beiträgen gut, selbst dem bereits mit dem Thema vertrauten Leser neue und teilweise gar überraschende Einblicke zu geben.
Eingerahmt werden die Beiträge des Heftes von eigens für die Ausgabe erstelltem Kartenmaterial und einer 7-seitigen Zeittafel. Besonders hervorzuheben ist jedoch an diesem Heft eine Zusammenstellung von Originalzitaten, die alle Autoren-Beiträge und Illustrationen in den Schatten stellt: Auf acht Seiten hat die Historikerin Christine Beil für das Heft kurze Statements von Beteiligten und Beobachtern der etwas mehr als 100-jährigen Geschichte des Staates Israel zusammengestellt. Mal anrührend, mal erschreckend, bilden diese Schnipsel aus Zeitzeugenberichten am besten die Leidenschaft, Opferbereitschaft und Kompromisslosigkeit ab, aus denen dieser Konflikt entstand und weiter genährt wird.
Fazit:
Nach zwei eher schwachen Heften (Nr. 59: „Die Zeit der Kreuzritter“, und Nr. 60: „Der Amerikanische Bürgerkrieg“) ist der Redaktion wieder ein hervorragender Band gelungen, bei dem schwierige Untiefen gut gemeistert wurden. Ein guter Einstieg in die Geschichte des Staates Israel und des Konflikts, dessen Zentrum er ist.
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