Romantische Abenteuergeschichten und -filme erzählen von den freiheitsliebenden Helden der Meere. GEO-Epoche zeigt: Die Realität war oft weit weniger romantisch – und ist es heute um so weniger. Denn auch heute ist Piraterie ein verbreitetes Problem.
Das Thema scheint wie aus einer anderen Welt, als der Welt kitschiger Romane und Kostümfilme. Doch schon das Editorial wird deutlich, dass die Redaktion von GEO-Epoche die Geschichte der Piraterie als Hintergrund für ein „hochaktuelles Problem“ betrachten will. Dafür macht sie den Zeithorizont so weit auf, wie die Quellen es zulassen, und liefert ein Panorama der Piraterie vom Römischen Reich über Mittelalter und Kolonialzeit bis in unsere Tage. Ein Panorama, das interessante Schlussfolgerungen über die Rahmenbedingungen zulässt, unter denen Piraterie blüht und gedeiht.
Pompeius Magnus gegen Störtebeker & Co.
Im historischen Panorama der Piraterie dürfen die großen Namen und Geschichten natürlich nicht fehlen: Klaus Störtebeker und seine „Vitalienbrüder“ erhalten ebenso Raum wie Henry Morgans Raubzüge in der Karibik und Francis Drakes Kaperfahrt rund um die Welt.
Manche dieser Geschichten sind schnell und routiniert heruntererzählt, andere mit fast schon sensationshaschendem Elan neu angefasst – wie etwa die Legende um den Ostseepiraten Störtebeker. Johannes Schneider tut in seinem Artikel über die norddeutsche Ikone sein Bestes, um die gesamte Person als Mythos zu entlarven – mit guten Argumenten, auch wenn eine etwas ausgewogenere Darstellung der Sache sicher gut getan hätte.
Neben den „Big Names“ liefert GEO-Epoche zahlreiche Hintergrundartikel zu weniger bekannten Phasen, Personen und Ereignissen. Der monumentale Anti-Piraten-Feldzug des späteren Caesar-Gegenspielers Pompeius im Jahr 67 v. Chr. etwa zeigt eine Seite der römischen Expansion, die nicht jedem vertraut sein wird.
Gleiches gilt für den Exkurs zur größten Piratenstreitmacht aller Zeiten, einer chinesischen Flotte, die Anfang des 19. Jahrhunderts die Küsten Asiens unsicher machte, oder die Kaperfahrten von (nicht nur der deutschen) Marinesoldaten im Ersten Weltkrieg.
GEO-Epoche Nr. 62:
Piraten – Freibeuter, Abenteurer, Menschenhändler
Gruner+Jahr 2013
182 Seiten
9,50 € (16,50 € inkl. DVD)
Die 11 Beiträge auf 182 Seiten kulminieren in einem umfang- und detailreichen Beitrag zum Überfall auf das deutsche Containerschiff „Hansa Stavanger“ im Jahr 2009 vor der Küste Somalias. Der Bericht arbeitet exemplarisch die moderne Piraterie auf, wie sie seit einigen Jahren an den Küsten Afrikas und Asiens neu aufblüht. Und er zeigt, in der Gesamtschau mit den Beispielen aus der Geschichte, dass neben dem „Wunsch nach schnellem Reichtum“ der Piraten selbst auch immer die Instabilität staatlicher Strukturen eine Grundbedingung der Piraterie ist.
Fazit:
Ein hervorragendes GEO-Epoche-Heft, dessen einziger Mangel ist, dass es zu kurz ist. Der weitgespannte Horizont über praktisch alle Epochen und Weltgegenden erzwingt eine episodische Struktur, die so unterhaltsam ist, dass man sich unwillkürlich mehr davon wünscht.
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